Do 16.04.2015, 20:15 Uhr

Regine Prange: „Das blinde Sehen: Geschichte und Mythos in Edipo Re“

Regine PrangePasolini hat sich nicht nur, wie mancher Künstler vor ihm, mit Christus identifiziert, sondern auch mit Ödipus, dessen freudianische Deutung in dem autobiografisch getönten Prolog zu Edipo Re aufgerufen wird. Beide Figuren – Christus und Ödipus – sind verbunden durch das Motiv des sühnenden Selbstopfers. An der Ödipus-Sage faszinierte Pasolini besonders die Unwissenheit des Helden, die seiner Handlungsweise eine gewisse Unschuld verleihe. Eben durch seinen Versuch, dem ihm geweissagten Schicksal zu entkommen, also die Bluttat am eigenen Vater und eheliche Gemeinschaft mit der Mutter zu verhindern, sorgt er für seine Erfüllung. Pasolinis mythische Filmerzählung, die sich stellenweise eng an den Urtext des Sophokles hält, andererseits die griechische Antike archaisierend verfremdet, markiert von Anfang an die ‚blinden‘ Momente, in denen sich die Tragödie ankündigt, vollzieht und dabei auch als ein Bild für die Geschichte der modernen Zivilisation lesbar wird, welche der Erlösung bedarf. Nach Pasolinis Auslegung transformiert die Selbst-Blendung des christomorphen Ödipus (Franco Citti) seine unwissende Blindheit in ein nunmehr erkennendes ‚blindes Sehen‘ nach dem Vorbild des Teiresias – ein Sehen, das sich der Führung des Volkes, verkörpert in Ninetto Davoli, überlässt und als solches die Rolle Pasolinis als eines Intellektuellen beschreibt, dem im zeitgenössischen Italien eine Paria-Rolle zugewiesen wird.

Regine Prange ist Professorin für Neuere und Neueste Kunstgeschichte, Kunst- und Medientheorie an der Goethe-Universität Frankfurt.

EDIPO RE Edipo Re – Bett der Gewalt

Italien/Marokko 1967. R: Pier Paolo Pasolini
D: Silvana Mangano, Franco Citti, Alida Valli. 104 Min. 35mm. OmeU

EDIPO RE Edipo Re – Bett der Gewalt

Laios und Iokaste, die Herrscher von Theben, erfahren durch ein Orakel, dass ihr Sohn den Vater umbringen und die Mutter heiraten wird. Sie beauftragen einen Diener, ihren Sohn Ödipus zu töten. Doch der Diener setzt das Kind in den Bergen bei Korinth aus. Dort findet es ein Bauer, der es König Kreon übergibt. Als Ödipus erwachsen ist, erfährt er vom Orakel des Apollon die grauenvolle Weissagung. Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Pasolini bezeichnete EDIPO RE als seinen autobiografischsten Film, da die Ödipusfigur darin dem Vatermord näher steht als dem Inzest.

Trailer

Mitschnitt der Veranstaltung

Teil 1: Einführung und Vortrag

Teil 2: Diskussion nach dem Film

 

Goethe-Universität Deutsches Filmmuseum